Raubzug der Wikinger ins Bjarmaland



Im Nordwesten der Insel Magerøya, nicht weit vom Nordkap entfernt, liegt  Gjesvær, ein altes Fischerdorf, das in der Wikingerzeit als einziger Ort in der Finnmark bekannt war. Damals hieß der Ort  Geirsver.

Der isländische Historiker Snorri Sturluson berichtet über die Seereisen der Wikinger  und in dem Zusammenhang wird Gjesvær erwähnt. Am Ende des 10., -Anfang des 11. Jahrhundert, als die Wikinger häufig entlang der Küste nach Bjarmaland, dem heutigen Nordwest-Russland, und bis ans Weiße Meer auf Handels- und Raubzüge fuhren, war Gjesvær der erste Hafen auf der Heimreise. Das Dorf wurde als die nördlichste  Anlegestelle Norwegens bekannt. 
Es wird in den Königssagen von Snorri erzählt, dass Olav der Heilige im Frühjahr 1026 seinen Häuptling Karle und seinen Bruder Gunnstein nach Bjarmaland, auf Handelsfahrt, sandte. Der König gab ihnen ein Schiff mit einer 25-köpfigen Besatzung. Der mächtige Wikingerhäuptling Tore Hund von der Insel Bjarkøy hörte von dem Plan. Er schickte eine Nachricht an Karle, in  der er ihm mitteilte, dass auch er nach Bjarmaland fahre, und schlug vor, dass sie zusammen fahren könnten.
Karle und Gunnstein waren skeptisch, aber Tore Hund hatte ein großes Schiff mit 80 Männern an Bord. Deshalb trauten sich die Männer von Olav dem Heiligen  nicht, ihnen die Mitfahrt zu verweigern. Außerdem war Tore Hund ein guter Navigator und kannte sich gut aus in Bjarmaland.

Die Tage und die Nächte waren gleich hell zu der Jahreszeit  und sie konnten zu jeder Zeit segeln, solange sie Wind in den Segln hatten. Die Fahrt verlief gut. In Bjarmaland machten sie gute Geschäfte mit Eichhorn-, Biber- und Marderfellen. Bevor sie zurückfuhren, überfielen sie gemeinsam ein paar große Bauernhöfe, die in der Tundra lagen,  und nahmen alles mit,  was von Wert war.

   


Später ankerten sie heimlich an der Küste vor Murmansk  und plünderten die heilige Begräbnisstätte der Bjarmen. Dort befand sich eine Figur, die den finnisch-russischen Gottes Jomala darstellte. Ferner hatte das Heiligtum eine wertvolle Goldkette um den Hals hängen. Sie  griffen zu und schafften es, mitsamt ihrer Beute zu entkommen. Karle sagte, dass dieses kostbare Schmuckstück ein Geschenk an Olav den Heiligen sei.
Tore Hund war aber anderer Meinung. Er meinte, er sei der Stratege hinter dem Überfall gewesen und die Halskette gehöre demzufolge ihm. Zudem wollte er die ganze Beute aufteilen, bevor sie nach Hause zurückkehrten. Karle aber ließ sich nicht überreden. Schnell setzte er Segel und fuhr mit seinem kleineren und schnelleren Schiff westwärts. Karle und seine Männer waren schon weit draußen auf dem Meer, bevor Tore Hund seine Segel gesetzt hatte. Jetzt aber begann das Wettsegeln. Es dauerte bis nach Gjesvær. Die Schiffe fuhren gleichzeitig in den Hafen ein. Tore Hund ankerte mitten im Hafen und Karle etwas weiter außerhalb.
 
Tore Hund und seine Männer gingen an Land um ihre Zelte aufzuschlagen. Kurze Zeit später, nachdem sie fertig waren,  rief  er Karle und Gunstein und bat sie auch an Land zu kommen.  Kaum waren die Brüder und einige ihrer Leute angekommen, begann Tore Hund sofort über die Goldkette zu sprechen. Er verlangte wieder, dass sie die Beute aufteilten. Karle wandte ein, dass sie ja noch genug Zeit hätten. Tore Hund antwortete, es sei nicht Sitte damit zu warten, bevor man zu Hause sei. So ging es noch einige Zeit weiter, aber sie wurden sich nicht einig.

Tore Hund wollte gehen, aber schon nach einigen Schritten blieb er stehen und bat seine Männer zu warten. Er drehte sich um und rief:
“ Ich muss dich allein sprechen.“ Karle ging zu ihm. Als sie sich trafen, rammte  Tore Hund ihm seinen Speer in den Bauch. Dann  brüllte er:
 "Hier bekommst du einen richtigen Mann aus Bjarkøy zu spüren. Und den Speer, denke ich, solltest du auch spüren“.
Karle starb an dem tiefen Speerstich. Gunnstein trug seinen toten Bruder an Bord, verließ Gjesvær in aller Eile und segelte davon. Der Häuptling Tore Hund folgte dem Schiff, aber bald holte er das Schiff von Gunnstein und seinen Männern ein. Jetzt verstand Gunnstein, dass er chancenlos war. Er steuerte das Wikingerschiff an Land und lief fort. Tore Hund stieg in das verlassene Schiff, nahm die Goldkette und alles von Wert mit, bevor er das Schiff sinken ließ und südwärts  nach Bjarkøy segelte.