Magerøya -     Die Insel Magerøya -   The Island of Magerøya




Die Tunesbrüder und die Jagd auf den Silberheilbutt

Es war Herbst und am Himmel konnte man das Farbspiel der Sonne bewundern. Er war in ein dunkles Orange und warmes Gelb getaucht. Langsam versank die Sonne im Meer und hinterließ einen goldenen Streifen auf dem Wasser. Der Abend war nun kalt und die Luft klar.Weit auf dem Meer schaukelte ein kleines Ruderboot, an dem sich Wellen brachen.
An Bord waren zwei Brüder, die viel größer waren als normale Leute. Überall waren sie bekannt für ihre enormen, fast übernatürlichen Kräfte.  Sie waren Fischer und hofften wie so oft auf einem guten Fang. Selbst bei schlechtem Wetter scheuten sie nicht davor, auf das Meer hinauszurudern. Weil ihre Holzruder dann wie Streichhölzer brachen, schmiedeten sie ihre Ruder aus Eisen.Es verbreiteten sich unzählige Gerüchte über sie, von der Küste entlang bis zum weißen Meer, und jedes war wilder und fantasievoller als das andere.  Von einigen wurden die Brüder gefürchtet, von anderen bewundert und wieder andere bezeichneten sie als Helden. Es war immer die Rede von den Tunesbrüdern.

Sie fischten schon stundenlang, aber das Meer schien leer zu sein. Ihr einziger Fang war ein mittelgroßer Heilbutt, der achtlos im Boot lag. Nach weiteren Stunden mussten sie einsehen, dass das Glück sie verlassen hatte. Betrübt machten sie sich auf den Heimweg. Auf einmal wurde es dunkel. Die Wolken über ihnen zogen sich zusammen. Der Wind frischte auf und peitschte den Brüdern um die Ohren. Zu allem Überfluss begann es zu regnen. Bedrohlich türmten sich die Wellen auf und schwappten ins Boot. Es schaukelte gefährlich.Die Welt wurde in Regen, Wind und Wellen getaucht. Mit all ihrer Kraft ruderten sie und versuchten, gegen die Wellen anzukommen. Aber selbst die Tunesbrüder waren gegen die Kraft der Natur machtlos. Zu diesem Zeitpunkt sah es für sie nicht gut aus.Das Salzwasser peitschte ihnen ins Gesicht und ihre Kräfte ließen nach. In ihrer Not beteten sie zu Gott. Sie schworen, dass sie der Kirche von Tunes einen Heilbutt aus reinem Silber schenken würden, wenn sie wieder heil ans Land zurückkommen würden. Der silberne Heilbutt soll genau so groß sein wie der, den sie im Boot liegen hatten. Jetzt konnten sie nichts weiter tun als hoffen, dass Gott sie erhören würde.

                 
Kurze Zeit später legte sich das Unwetter. Die Brüder konnten erleichtert aufatmen. Die Wellen glätteten sich und sie erreichten das Land unversehrt. Wie sie geschworen hatten, lösten sie ihr Versprechen ein. Sie gossen einen Silberheilbutt, der in der Kirche in Tunes ausgestellt wurde. Die Meinungen über dieses großzügige Geschenk gingen auseinander. Viele Leute meinten, dass der Fisch ihnen Glück gebracht hätte. Andere fürchteten, dass der wertvolle Silberheilbutt ungebetene Gäste anziehen könnte. Die unglaubliche Geschichte von dem Silberheilbutt verbreitete sich schnell und so hörten auch russische Seeräuber von dem wertvollen Gegenstand.Die Seeräuber wollten sich den Schatz zu eigen machen und begaben sich auf den Weg. Aber genau wie sie von dem Schatz gehört hatten, wussten sie auch um die Gerüchte von den Tunesbrüdern. Sie könnten eine Bedrohung sein und für die Seeräuber stand fest, dass sie nicht einfach in das Fischerdorf hineinstürmen können. Sie würden sich stattdessen eine andere Taktik ausdenken müssen.


                    

Es war Winter und eines Abends kamen die Brüder vom Fischen zurück und freuten sich auf die warme Stube. Sie zogen ihr Boot an Land und erblickten nicht weit von dem Fischerdorf ein Schiff, dass einen Anker ausgeworfen hatte. Sie wurden ein wenig misstrauisch, aber es deutete nichts auf eine Gefahr hin.Wie üblich wurden die Brüder am Strand willkommen geheißen. Aber die Tunesbrüder ahnten, dass etwas nicht stimmte. Sie wurden nur von erwachsenen Männern empfangen, die sich eigenartig benahmen. Die Tunesbrüder blieben stehen und schauten sich die Leute genauer an. Bestürzt erkannten sie, dass viele versuchten, Schwerter und Speere zu verstecken. Die Brüder wechselten Blicke. Im selben Augeblick wurden sie angegriffen. Die Leute zogen ihre Waffen und die Brüder sahen, dass ihre Angreifer Russen waren, die sich wie norwegische Fischer und Bauern verkleidet hatten.
Schnell wie die Brüder waren, griffen sie nach ihren Eisenrudern und verteidigten sich. Alle Russen gaben ihr bestes, sie griffen aus allen Richtungen an, brüllten und hoben die Waffen, aber keinem einzigen gelang es, auch nur einen der Brüder zu verletzen, bevor sie selber einen kräftigen Schlag mit dem Eisenruder bekamen. Ein Russe nach dem anderen fiel und diejenigen, die noch übrig waren, flohen Halsüberkopf zum Schiff.Als Die Brüder in das Dorf kamen, stellten sie fest, dass sich die eigentlichen Bewohner in dem größten Haus in Tunes versteckt hatten.
Die Russen hatten angefangen, Holz zu sammeln, um die Bewohner in ihren Häusern zu verbrennen. Aber zum Glück kamen die Brüder rechzeitig und konnten die Bewohner retten.
Leider enden nicht alle Geschichten gut. Es konnten sich nicht alle in Sicherheit bringen. Mehrere wurden von den Russen brutal umgebracht und darunter war auch die Nichte der Brüder, ein junges Mädchen. Als sie von der grausamen Tat erfuhren, überwältigte sie Trauer. Sie waren verzweifelt und in ihrer Wut, schworen sie Rache. Es sollte nie wieder ein Russe wagen, auch nur einen Fuß nach Tunes zu setzen.


Die Situation blieb angespannt. Zur Sicherheit trugen die Brüder dicke Lederrüstungen, die sie vor Speeren, Pfeilen und Steinen schützen würde, weil sie sich der Gefahr, die immer noch von den Russen ausging, bewusst waren. Es dauerte nicht lang und es kamen erneut Russen, um den Silberheilbutt zu holen und zu rächen, die die Brüdern getötet hatten.Weil die Russen keine Gewehre besaßen, hatten sie keine Chance gegen die Brüder und  wurden von ihren Keulen niedergeschlagen. Nun verbreitete sich Angst im Dorf. Die einen bekamen Angst vor den rachelüstigen Russen, andere bekamen Angst vor den Brüdern. So kam es dazu, dass viele Leute fort zogen.Zum Schluss waren die Brüder allein im Fischerdorf. Die Zeit verging.
Immer wieder kamen die Russen, nur um besiegt zu werden. Es kam der Heiligabend. Die Brüder meinten, dass sie auch einen schönen Tag verdient hätten. Sie wollten feiern und sie feierten! Sie tranken Schnaps. Sie fuhren am Abend auf das Meer hinaus und fischten.
Sie kamen nach einem erfolgreichen Fang zurück und als es Nacht wurde, entschieden sie, weiter zu feiern.

Nach einer Weile musste der eine Bruder zum Pinkeln hinaus. Er war ziemlich betrunken und hatte starke Kopfschmerzen. Im Dunkeln sah er die Gestalten nicht, die mit ruhigen Schritten durch den Schnee stapften und näher kamen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung, aber er konnte nicht mehr rechzeitig reagieren. Die russischen Räuber überfielen ihn. Es waren zu viele, gegen die der Bruder nicht alleine ankämpfen konnte. Mit seinem letzten Atemzug rief er nach seinem Bruder. Dieser hörte ihn, griff schnell nach seiner Waffe und stürmte hinaus. Er sah, was die Räuber mit seinem Bruder gemacht hatten und Wut kochte in ihm hoch. Voller Zorn schlug er um sich. Er traf einen nach dem anderen Russen, die zu Boden gingen. Wegen der Feier vergaß er jedoch seine Rüstung. Er war so benebelt vom Schnaps, dass er überwältigt wurde. 

 Freudig feierten die Russen ihren Sieg. Die Brüder waren tot.Es konnte also niemand die Russen davon abhalten, alles Wertvolle aus Tunes mitzunehmen. Sie trugen stolz den Silberheilbutt aus der Kirche. Es war das Symbol ihres hart erkämpften Sieges. Danach verließen sie Tunes und brachten den Silberheilbutt nach Russland. Jetzt wussten alle, dass die Brüder gestorben waren und dass der Streit entschieden war. Nach dem Tod der Brüder wurde es still im Fischerdorf Tunes.Die Russen kamen nicht zurück, aber langsam wurde das Dorf für die ehemaligen Bewohner wieder interessant. Sie kehrten zurück und das Leben ging weiter. Ohne Russen, ohne den Silberheilbutt und ohne die Tunesbrüder. Nun gingen wieder Gerüchte herum. Einige waren der Meinung, dass der Tod der Tunesbrüder das Beste für alle sei. Andere dagegen waren der festen Überzeugung, dass sie noch lebten und eines Tagesrudernd vom Meer mit dem größten Fang aller Zeiten zurückkommen würden.